ChatGPT vs. menschliche Texter*in:
Schickt die Künstliche Intelligenz uns Texter*innen aufs Arbeitsamt?

„Du brauchst nur eine Frage oder ein paar Schlagworte eingeben, bestimmst, ob der Text sachlich oder sonstwie sein soll und schwupp-di-wupp hast du einen fertigen Text für deine Website.“

So schwärmte im Spätherbst eine Bekannte von Jasper, einem Textertool, das sie bei einem Marketing-Kongress vorgeführt bekommen hat.

Ich war niedergeschlagen und ratlos.


Also, wenn das wahr wird – wer braucht dann bitte noch Texter*innen wie mich?

Echte Menschen, die recherchieren, sich Gedanken machen, schreiben, nach den besten Formulierungen und Argumenten suchen, Grammatik und Rechtschreibung beherrschen und ihrer (oder jener der Kund*in) Schreibstimme Ausdruck verleihen?

Keine rosigen Zukunftsaussichten.

Weihnachten stand vor der Tür und ich habe Jasper vergessen.

ChatGPT, der Rising Star der KI

Und plötzlich im Jänner 2023 war ChatGPT in aller Munde.

Ich habe das Textertool, das auf künstlicher Intelligenz basiert, mal ignoriert.

Doch mit der Recherche für eine Coverstory im „IN-Magazin – Mit Innovation Zukunft gestalten“ (erschien Anfang April als Beilage von der Tageszeitung „Der Standard“) kam ich um die KI (Künstliche Intelligenz) nicht mehr herum.

Keine Liebe auf den ersten Blick

Ich testete die (kostenlose) ChatGPT-Version– nicht ganz ohne Vorbehalte und mit ausreichender Skepsis meiner künstlich-intelligenten und viel schnelleren Konkurrenz gegenüber.

Und wie das so ist beim ersten Kennenlernen, man stellt sich mal vor.

Ich fragte die KI einfach, was ChatGPT überhaupt ist:


Der erste Schritt einer komplexen Beziehung war getan.

Die Antwort auf meine erste Frage war (aus meiner subjektiven Texterinnen-Sicht) – höflich verhalten.

Also hey: Ein Textgenie schaut anders aus 😊
Die KI wird so schnell keinen Literatur-Nobelpreis gewinnen.

Bei unserer weiteren „Unterhaltung“ zeigte sich die KI zunehmend selbstbewusster.

ChatGPT weiß einfach, wo seine Vorteile gegenüber einer menschlichen Texter*in liegen:


Vorteile ChatGPT vs Texter

Immerhin räumt ChatGPT ein, dass es „in bestimmten Situationen immer noch sinnvoll sein kann, einen menschlichen Texter einzusetzen“.
Denn es gibt „immer noch einige Fähigkeiten, die nur ein Mensch besitzen kann, wie die Fähigkeit zur Empathie und zur menschlichen Interaktion.“

Welche bestimmten Situationen meint die KI da?

(Kleine Stichelei: Die Wortwiederholung „immer noch“ in den zwei letzten Sätzen hätte ich als menschliche Texterin jetzt auch nicht so stehen lassen …😊)

Jetzt schauen wir uns die Vorteile von ChatGPT – aus der objektiven Sicht der KI – einem menschlichen Texter*in gegenüber an:

1. Geschwindigkeit, da ChatGPT auf sehr schnelle Prozessoren und Algorithmen zugreifen kann.

Das muss der Neid lassen: In 12 Sekunden schaffe ich keinen derartigen Text. Meine Prozessoren verfügen eindeutig über längere Leitungen.

Mein Trost: Manchmal liegt die Kraft ja auch in der Ruhe oder in den Stunden, damit ein Text einzigartig wird und eine Seele hat.

2. Verfügbarkeit: ChatGPT kann rund um die Uhr verfügbar sein.


Das arme Ding!
Die Hälfte des Tages bin ich sicher nicht online, weil ich zu gerne schlafe, koche und esse, mit Familie lebe, mit Freundinnen quatsche, lache, ein gutes Buch lese, bei Pilates bin oder durch den Wald laufe …)

KI sagt damit sehr deutlich, wie sie unsere Gesellschaft sieht:
Wir haben keine Geduld mehr. Alles muss sofort und rund um die Uhr verfügbar sein. Auch Texte.

Alles andere ist ein „Nachteil“.
Ist es das?

3. Konsistenz: ChatGPT gibt immer konsistente Antworten.


Oje.
Bei der Verwendung solcher abstrakter Begriffe kann und will ich mit ChatGPT nicht mithalten. Ich bin ein Fan von bildhaften Schreiben und Storytelling , die sehr wohl Emotionen und Stimmungen bei der Leser*in hervorrufen und deren Kopfkino anspringen lassen!

Außerdem verwirrt mich diese Antwort:
Denn einerseits trommeln Marketingexpert*innen wie wichtig es für Selbstständige und KMU ist, sich als Expert*innen zu positionieren, weil sie sich durch ihre Persönlichkeit abheben.

Und in meinen Texten, in denen ich meine Meinung, Werte und Erfahrungen kommunizieren kann, soll das ein Nachteil sein?

4. Kapazität: ChatGPT kann auf eine enorme Menge an Informationen zugreifen und schnell eine Fülle von Wissen sammeln, um eine fundierte Antwort auf eine Frage zu liefern.

Das wird wohl stimmen.
Bei all dieser Fülle kann die KI allerdings nicht immer zwischen Fakten und Fake unterscheiden und versteht auch keine Ironie in Texten.

In Zukunft werden noch mehr Unternehmen und Blogger noch mehr und noch schneller Content produzieren.
In sehr vielen Fällen wird Wissen von der KI einfach wiedergekaut und wiedergegeben.

Aber ist in unserer Informationsgesellschaft, Masse besser als Klasse?
Oder ist weniger nicht oft mehr?

5. Flexibilität: ChatGPT kann in verschiedenen Sprachen arbeiten und ist in der Lage, verschiedene Arten von Fragen und Themen zu behandeln.

Okay, jetzt gibt die KI aber schon ein wenig an 😉

Da muss ich jetzt als „Wortklauberin“ pingelig werden, denn ein menschlicher Texter*in wird nicht nur „möglicherweise“, sondern ganz sicherlich in „einer begrenzten Anzahl von Sprachen arbeiten und sich auf bestimmte Themen oder Bereiche spezialisiert“ haben.

Die Wortwahl ist also nicht immer ganz hundertprozentig richtig bei meinem künstlichen Texterkollegen.

In meinem begrenzten Fall ist das eben nur deutsch sowie Pressetexte und Online-Texte – speziell für Gesundheit, Forschung, Technik, Umwelt, Wohnen & Bauen. 

Die KI ist also laut Selbstbeschreibung „Expert*in für eh alles“.
(Der wirkliche „Alltagsexperte für eh alles“ Gunkl möge mir diesen Vergleich verzeihen.)

Meiner Weisheit momentaner (!) Schluss nach dem ersten Kennenlernen mit ChatGPT

  • ChatGPT eignet sich sicherlich für Menschen, die Angst vorm weißen Blatt Papier und wenig Zeit zum Recherchieren haben.

    Sie briefen ChatGPT und haben innerhalb ein paar Sekunden einen ersten Text, den sie dann noch überarbeiten können:
    • Inhaltlich um ihre eigene Meinung, Expertise, Beispiele ergänzen und Ihre eigene Story erzählen (Lesen Sie dazu Storytelling in der PR) sowie angepasst an die Bedürfnisse Ihrer konkreten Leser*innen.
    • Puncto Sprache und Stil: KI lernt von bereits vorhandenen Texten (im Internet).
      Darunter sind eine Menge schlechter Texte, die voll sind von Fachchinesisch, Wissenschaftssprech, Plastikwörtern, Schachtelsätzen, Wortungetümern, abstrakten Begriffen, passiver Sprache usw. Also von Texten, die aufgebläht sind und keinerlei Bilder oder Emotionen beim Leser*in hervorrufen.
  • Die Fülle an Informationen, die tagtäglich auf uns einprasseln, wird weiter zunehmen. Im Contentmarketing wird es ein „schneller und mehr“ geben.

  • Die Schreibstimme wird zum „USP“ und in Zukunft noch wichtiger werden:
    Diejenigen, die einzigartige, weil gute, persönliche und authentische Texte mit Seele und Charisma schreiben, werden sich vom künstlich-intelligenten Einheitsbrei abheben. 

  • Was mich neben meinem komplizierten Verhältnis zu der neuen künstlichen Texter-Konkurrenz auch beschäftigt:

    KI braucht ziemlich viel Energie, um mit den riesigen Datenmengen trainiert zu werden. Das läuft über riesige Rechenzentren. Und ChatGPT sagt ja selbst, dass es rund um die Uhr verfügbar ist. Die Nutzer*innen-Anfragen werden zudem zweifelsohne in Zukunft ansteigen.

    In welchen Dimensionen bewegen wir uns da? Und wie wird diese Energie hergestellt? Wie hoch sind die Kosten der Umwelt gegenüber der obengenannten „Vorteile“?

Etwas auskunftsfreudiger als ChatGPT zum Energieverbrauch ist dieser Bericht auf ORF.at

Zum Schluss noch ein Tipp:

Wie funktioniert ChatGPT überhaupt?

Dazu gibt es mittlerweile von einigen KI-Aficionados (die schneller sind als ich 😉) gute Anleitungen mit Tipps und Tricks für ChatGPT:

Was halten Sie von ChatGPT-Texten? Ist es mehr Fluch oder Segen für Sie?

Ich freu mich auf Ihren Kommentar!

Ihre Textglück-Bringerin

Eva Bauer

(c) Canva

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